Die Klage über eine fortschreitende Verrohung der Gesellschaft ist allgegenwärtig: Mehr Gewalt auf den Straßen und in Schulen, rauere Umgangsformen im Alltag und purem Egoismus, der sich in immer weniger Rücksichtnahme äußert.
ZitatNeulich las ich wieder von einem Vorfall, der mich sprachlos machte: Rettungskräfte wurden bei einem Einsatz nicht nur beschimpft, sondern sogar körperlich angegangen. Menschen, die anderen helfen, werden zur Zielscheibe.
Genauso erschreckend: In manchen Städten fliegen an Silvester Böller gezielt in Menschenmengen – als wäre es ein Spiel. Als hätte das nichts mehr mit Spaß, sondern mit Machtdemonstration zu tun.
Ich frage mich: Wann ist das passiert? Wann ist aus „leben und leben lassen“ ein „ich zuerst, alle anderen sind mir egal“ geworden? Was sind die Ursachen?
Woran liegt das – diese zunehmende Rauheit?
Es ist sicher kein einzelner Auslöser, sondern ein Zusammenspiel vieler Entwicklungen, das uns als Gesellschaft verändert. Vieles davon geschieht schleichend – fast unbemerkt – und doch spürbar.
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Überforderung und Unsicherheit: Die Welt dreht sich immer schneller – neue Technologien, globale Umbrüche, Krisen, die kaum zur Ruhe kommen. Viele Menschen fühlen sich dabei wie Passagiere in einem Zug, der nicht mehr anhält. Zurück bleibt das Gefühl, nicht mehr gefragt zu sein, übersehen, abgehängt. Und wo früher vielleicht nur Ratlosigkeit war, wächst nun Wut – auf "die da oben", auf das System, manchmal einfach auf den, der gerade im Weg steht.
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Unzufriedenheit und soziale Spannungen: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft spürbar auseinander. Wer sich ständig sorgt, ob das Geld bis zum Monatsende reicht, wird kaum Geduld für Rücksicht und Anstand übrig haben. Wenn der Frust wächst, schrumpft oft die Mitmenschlichkeit.
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Politische und gesellschaftliche Polarisierung: Unsere Gesellschaft driftet auseinander – politisch, sozial, kulturell. Der Ton, der einst verbindend war, ist rau geworden. Viele spüren den Druck, Stellung zu beziehen – nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst, unterzugehen. Statt Brücken zu bauen, werden Gräben gezogen. Aus einem ‚Wir miteinander‘ wird mehr und mehr ein ‚Wir gegen die‘.
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Der Schutz des Bildschirms: Das Internet macht Kommunikation einfach – aber auch enthemmter. Wo man sich nicht in die Augen sehen muss, fällt es leicht, verletzend zu sein. Hasskommentare, Shitstorms und digitale Kälte sind längst keine Randerscheinung mehr – sondern Alltag. Und dieser Tonfall sickert immer mehr auch ins echte Leben.
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Wertewandel und wachsender Narzissmus: Immer mehr scheint es um individuelle Selbstverwirklichung, Profilierung und den eigenen Vorteil zu gehen. Dadurch wird Egoismus und sinkendem Respekt im Umgang miteinander Tür und Tor geöffnet. Gemeinschaft, Rücksicht, Bescheidenheit? Ist kaum noch angesagt in einer Welt, die nach außen schreit: "Setz dich durch!"
Hoffnungsträger – Engagement für andere
Trotz aller negativen Tendenzen gibt es zahlreiche Menschen, die sich solidarisch zeigen und aktiv für andere einsetzen. Ob ehrenamtlich Engagierte, politische Bildner, Helfer im Katastrophenschutz oder privat Engagierte im Alltag: Sie beweisen, dass Empathie, Engagement und Mitmenschlichkeit weiterhin fest verankert sind und der Verrohung eine wichtige Gegenerzählung bieten. Ihre Arbeit ist bedeutsam für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und zeigt: Auch in rauen Zeiten bleibt Hoffnung auf Besserung.
Vielleicht ist es genau das, was wir gerade brauchen: innehalten. Den Blick nicht nur auf das richten, was schiefläuft – sondern auch auf das, was noch trägt.
Wie nehmt ihr das wahr – im Alltag, im Netz, in eurem Umfeld? Spürt ihr eine Veränderung im Miteinander?
Gab es Situationen, in denen du selbst Kälte oder Rücksichtslosigkeit erfahren hast – oder auch das Gegenteil: Menschlichkeit, die dich berührt hat?
Ich bin gespannt auf eure Gedanken.
Antworten 3
Budgies
"Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere". Zu dieser Erkenntnis gelangte einst
Arthur Schopenhauer (deutscher Philosoph, Autor und Hochschullehrer). Er starb 1860 im Alter von 72 Jahren.
Das bedeutet, dass das Phänomen der Erkaltung zwischenmenschlicher Beziehungen nicht neu ist. Ich gebe zu, dass ich, je älter ich werde, immer weniger Menschen wirklich mag. Dem ging ein langwieriger Prozess voraus, denn einst galt ich als sehr freundlich, kommunikativ und hilfsbereit, diente oft - ohne es zu merken - als Hobbypsychologin für andere Menschen. Wenn allerdings so gut wie nie was von der anderen Seite an Interesse und Empathie zurückkommt, wenn meine eigenen Belange einfach übersehen bzw. überlesen werden, welchen Sinn haben dann solche einseitigen Beziehungen?
Zudem waren Menschen miteinander zu allen Zeiten grausam, wenn nicht physisch, dann auf psychischer Ebene. Ich habe das bereits Mitte der 1990er Jahre erfahren, habe es nicht verstanden, habe mich selbst ständig hinterfragt. Viel später habe ich begriffen, dass diese Art der offenen Anfeindung und Diskriminierung gegen mich vielmehr mit den anderen zu tun hat als mit mir. Diese Erkenntnis in reifen Jahren hat zu meinem meist ausbalanciertem inneren Gleichgewicht beigetragen.
Man mag bedauern, dass unsere Gesellschaft aus dem ein oder anderen übergeordneten oder individuellen Grund gespalten ist. Solange es aber noch Menschen gibt, die sich für eine Sache leidenschaftlich engagieren, die ihre Stimme mit Mut erheben, ist längst nicht alles verloren.
Dieter01
Ich möchte mich auch mal dazu äußern:
Da ich auch schon einiges auf meinem Tacho habe, und auch schon so einige Gesellschaften kennengelernt habe. Ist es mir aufgefallen, dass irgendwie immer eine Steigerung in Gewalt und auch Nachahmung von Gewalt, in unserer Gesellschaft hochkocht? Es geht durch alle Themen, ich habe schon mehrfach auch die KIs gefragt, woran es liegt und bekomme keine für mich zufriedenstellende Antwort auf eine vernünftige Erklärung zu diesem Thema. Eine Erklärung, was ich wirksam dagegen tun kann, es liegt wohl in der Natur der Psychologie des Menschen, sich darzustellen und zu prahlen, mit dem, was man hat und sein möchte. Es hängt wohl auch mit dem Bildungsstand einiger Individuen zusammen.
Jedenfalls bekomme ich immer wieder es erneut, egal von welchem Geschlecht mitgeteilt, anders zu sein und somit besser oder stärker, als der, mit dem sie sich messen möchten.
Sich dann auch noch feiern zu lassen von Anderen ist ja das Größte und befriedigendste, was ich immer wieder sehr oft sehe und nachgelebt wird in unserer dem Untergang geweihten Gesellschaft.
Selbstverständlich gibt es auch Menschen (Hawking), die das schon früher erkannt und publik gemacht haben, es jedoch nicht ändern konnten, sondern im Raum der Mahner verschwanden.
Genauso, wie viele Wissenschaftler, die versuchen uns mitzuteilen, dass wir geradezu dabei sind, uns auszurotten.
Es ist eine besondere Art des Egoismus, vor der auch keine Religion Respekt hat.
Ein Glück, dass ich dieses von meiner Zeit her nicht miterleben werde, da ich schon zu alt bin. Ich durfte nur den Weg dorthin beobachten, so wie meine Vögelchen es tun.
Die Überlebensangst der Menschen ist drin und wird durch Unverständnis nicht richtig aufgearbeitet.

Budgies
Ein interessanter Blick auf die Thematik. Stephen Hawking hat eindringlich gewarnt zu bedenken, dass wenn wir unseren Planeten fortan zerstören, wir uns beizeiten eine neue Heimat im Universum suchen sollten. In einem anderen Fall warnte er eindringlich, dass Privatpersonen keinesfalls versuchen sollten, Kontakt mit Aliens aufzunehmen, da sie uns feindlich gegenüber stehen könnten. Dies nur zur Ergänzung, weil mich seine Ansichten zu diesen Themen interessierten.
Wenn ich Deinen Beitrag lese Dieter, der für mich eine richtige Sichtweise beinhaltet, so komme ich für mich zu dem Schluss, dass die Entwicklung zu einem nicht unerheblichen Teil darauf basieren könnte, dass wir inzwischen mit 8 Mrd Menschen die Erde bevölkern, Tendenz steigend. Die Verteilungskämpfe wachsen, der Einzelne zählt als Individuum weniger, und viele versuchen, nicht unterzugehen in der Masse, und sei es durch Vorgeben etwas und jemand zu sein, was sie nicht sind.
Ich schätze, es könnte noch schlimmer kommen. Die Folgen des Klimawandels treffen die südlichen Länder mit voller Wucht. Leben und arbeiten bei 50 Grad ist auf Dauer nahezu unmöglich. Der Tourismus wird sich woanders hin orientieren Richtung Norden.
Ganz zu schweigen vom Leben der Menschen z. B. in Afrika...
Ich weiß nicht, ob ich wirklich froh bin, bereits älter zu sein und die weiteren drastischen Folgen nicht mehr erleben zu müssen. Es gibt doch auch soviel Interessantes in Robotic, Ki, Medizin, was ich gerne verfolge.
Zudem möchte ich wissen, wie alle Menschen in Zukunft satt werden können, wenn die Flächen weniger werden und die Ressourcen schwinden.